Wenn ich auf unsere Zeit bei VOSARD
in den letzten Monaten zurückblicke, stelle ich fest: Wir
bekommen Vieles mit. Schicksale von Menschen, aber vor allem viele
erfolgreiche Entwicklungsprojekte. Zu all dem haben wir – so kann
man es sagen – einen gewissen Abstand. Nachdem wir – meistens
durch field visits – etwas von den Projekten mitbekommen, fahren
wir wieder ins Office von VOSARD zurück, wo wir untergebracht sind.
In der letzten Woche haben
wir für drei Tage die Organisation Prachodana besucht. Dort konnten wir
erfahren, wie es sich anfühlt, quasi Tag und Nacht ohne Abstand „im“
Projekt zu sein.
Bevor
ich zu unseren Erlebnissen komme, eine kurze Beschreibung Prachodanas von Franzi und Jule, die dort ihren Freiwilligendienst
machen (zu ihrem Blog):
Prachodana
ist eine nicht-staatliche Organisation (NGO) mit Sitz in Hassan im
Bundesstaat Karnataka in Südindien. Die Aufgabe der Organisation ist
es, benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und ihnen
durch Integration in die Gesellschaft zu helfen, ihre Situation
nachhaltig zu verbessern.
Hauptziel der NGO ist es, benachteiligten Kindern einen Zugang zu Bildung
in einer freundlichen und sicheren Umgebung zu ermöglichen. So
betreibt Prachodana ein Kinderheim und eine dazugehörige
Brückenschule. Außerdem schärft Prachodana das gesellschaftliche
Bewusstsein dafür, dass Schulbildung für Kinder unverzichtbar ist.
Daneben betreibt Prachodana noch verschiedene andere
Projekte, zum Beispiel die „Child Line“, eine Hotline für Kinder
in Not sowie ein Projekt zum Aufbau eines System von Mikrokrediten und
Selbsthilfegruppen für Frauen.
Gebäude von Prachodana, in dem die Kinder untergebracht sind |
Im
Kinderheim leben 47 Kinder.
Die meisten von ihnen besuchen externe Schulen. Es sind verschiedene
Altersgruppen dabei – von Grundschülern bis hin zu Zehntklässlern.
Einige Kinder dürfen im Moment nicht zur Schule gehen, denn
entweder besteht die Gefahr, dass sie weglaufen, oder sie haben keine
Zulassung vom Staat bekommen.
Hier
eine kurze Beschreibung eines beispielhaften Tagesablaufs im
Kinderheim, so wie wir ihn mitbekommen haben. Natürlich basiert
diese nur auf unseren Erfahrungen in den wenigen Tagen und auch in
der kurzen Zeit haben wir schon gemerkt, dass jeder Tag etwas anders
abläuft. Trotzdem ein grober Eindruck:
6.20
Uhr. Die Kinder im Heim werden geweckt.
6.30
Uhr. Das tägliche Yogatraining beginnt nach einem kurzen Gebet.
Eines der Kinder macht die Übungen vor, alle anderen machen sie
nach.
7
Uhr. Study time. Jetzt heißt es für die Kinder, ihre Hausaufgaben
für die Schulen anzufertigen und für Prüfungen zu lernen. Das tun
sie alle gemeinsam in einem Raum. Dabei helfen wir ihnen, indem wir
z. B. Texte erklären.
8.45
Uhr. Frühstück. Nach einem Gebet gibt es meistens Reis mit Sambar
(einer Art Linsensuppe), manchmal aber auch andere Gerichte. Das
Essen ist einfach gehalten, um Kosten zu sparen. Trotzdem schmeckt es
uns gut.
9.15
Uhr. Zahnputzaktion: Franzi und Jule putzen gemeinsam mit den Kindern
Zähne. Mithilfe eines Zahnputzliedes sollen diese lernen, sich die
Zähne regelmäßig und vor allem gründlich zu putzen. Nach den
wenigen Monaten sind bereits Fortschritte sichtbar.
9.30 Uhr.
Die Kinder gehen zu ihren Schulen. Wir begleiten eine Gruppe -
entweder die Grundschüler oder die, die die weiterführende Schule
besuchen.
10
Uhr. Die Kinder sind in der Schule. Auf dem Weg zurück zum Heim
werden Materialien für den Unterricht oder andere Aktionen am Abend
gekauft.
11
Uhr. Im Heim wird der Unterricht für den Abend vorbereitet. Für
einen Abend ist eine besondere Aktion geplant: Zusammen mit Franzi
und Jule spielen Flo und ich Nikolaus, Knecht Ruprecht und zwei
Engel. Hierfür bereiten wir Kostüme vor.
13
Uhr. Mittagessen. Auch jetzt gibt es Reis mit Sambar. Dazu für jeden
einen Ragiball aus Wasser mit Fingerhirse. Auch der kann gut
schmecken – man muss nur viel Sambar dazu nehmen.
16
Uhr. Die ersten Kinder kommen aus ihren Schulen zurück. Sie haben
nun für ein paar Stunden Freizeit. Für die Freiwilligen beginnt
jetzt die Hauptarbeit. Oft geht es nach draußen und es werden die
verschiedensten Spiele mit den Kindern gespielt. Ihnen – und auch
mir - machen diese viel Spaß.
18.15
Uhr. Alle versammeln sich zum gemeinsamen Gebet.
18.25
Uhr. Die Nikolaus-Aktion startet. Da die Geschichte den Kindern am
Vorabend erklärt wurde, verstehen die meisten, worum es geht. Den
Eindruck habe ich zumindest. Als kleine Geste verteilen wir Nüsse
und Orangen.
18.40
Uhr. Franzi und Jule geben den Kindern Nachhilfestunden, meistens in
Englisch und Mathe (und wir helfen so gut es geht mit). Dabei
wechseln sich die Klassen immer ab – von Grundschülern bis zu
Zehntklässlern. Oft geht es um Grundlagen, die aufgearbeitet werden
müssen.
Der Prachodana-Nikolaus mit seinem Team |
21.15
Uhr. Noch einmal wird die Zahnputzaktion wie morgens durchgeführt.
Danach gehen die Kinder ins Bett. Untergebracht sind sie meist in
Hochbetten in Gruppenzimmern. Wir singen für sie noch ein
Gute-Nacht-Lied.
Alles
in allem also ein volles Tagesprogramm – sowohl für die Kinder als
auch für Mitarbeiter und Freiwillige. Uns hat es Spaß gemacht, für
drei Tage daran teilzunehmen, es war aber auch anstrengend. Umso mehr Respekt haben wir vor deren Leistungen. Von
einigen Schicksalen der Heimkinder haben wir mitbekommen. Viele von
ihnen lebten auf der Straße und/oder verrichten Kinderarbeit. Ihr
Geld zum Überleben haben sie z. B. dadurch verdient, Plastik zu
Sammelstellen zu bringen. Anderen war es vorher aus verschiedenen Gründen nicht möglich, die Schule zu besuchen. Sie mussten z. B. zu Hause auf Geschwister aufpassen, es war kein Geld da oder die Eltern haben sich einfach nicht um den Schulbesuch gekümmert.
Von Prachodana wird den Kindern eine Chance gegeben: Weg von
der Straße, hin zur Schule - und damit zu besseren
Zukunftsaussichten. Auch wenn die
Kinder Schulen außerhalb des Heims besuchen, trägt Prachodana einen
großen Teil zur Bildung der Kinder bei. Zum Einen werden Grundbedürfnisse wie Unterkunft und Verpflegung befriedigt. Zum Anderen können die Kinder durch die
Lernzeiten und Nachhilfestunden besser in der
Schule mitkommen. Da der Unterricht in meist kleinen Gruppen stattfindet, ist eine individuelle Förderung möglich. Jule und Franzi erzählen
uns, wie sich z. B. die Englischkenntnisse vieler Kinder seit ihrer
Ankunft enorm verbessert haben. Viele konnten zu Beginn gar kein
Englisch sprechen und beherrschen jetzt Grundlagen.
In den drei Tagen im Projekt habe ich den Eindruck bekommen, dass die Freiwilligen durch Nachhilfestunden,
Freizeitgestaltung der Kinder und andere Aktionen einen sehr großen
Teil zu der Entwicklung der Kinder beitragen können. Der Besuch von Prachodana war für uns vor allem
deshalb interessant, da sich das Projekt und die Aufgaben sehr von unseren –
vor allem auf Dokumentations- und Öffentlichkeitsarbeit basierten -
unterscheiden.
Manuel
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