Montag, 8. Dezember 2014

Interproject visit zu Prachodana – 3 Tage im Kinderheim

Wenn ich auf unsere Zeit bei VOSARD in den letzten Monaten zurückblicke, stelle ich fest: Wir bekommen Vieles mit. Schicksale von Menschen, aber vor allem viele erfolgreiche Entwicklungsprojekte. Zu all dem haben wir – so kann man es sagen – einen gewissen Abstand. Nachdem wir – meistens durch field visits – etwas von den Projekten mitbekommen, fahren wir wieder ins Office von VOSARD zurück, wo wir untergebracht sind. In der letzten Woche haben wir für drei Tage die Organisation Prachodana besucht. Dort konnten wir erfahren, wie es sich anfühlt, quasi Tag und Nacht ohne Abstand „im“ Projekt zu sein.

Bevor ich zu unseren Erlebnissen komme, eine kurze Beschreibung Prachodanas von Franzi und Jule, die dort ihren Freiwilligendienst machen (zu ihrem Blog): 
Prachodana ist eine nicht-staatliche Organisation (NGO) mit Sitz in Hassan im Bundesstaat Karnataka in Südindien. Die Aufgabe der Organisation ist es, benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und ihnen durch Integration in die Gesellschaft zu helfen, ihre Situation nachhaltig zu verbessern. 
Hauptziel der NGO ist es, benachteiligten Kindern einen Zugang zu Bildung in einer freundlichen und sicheren Umgebung zu ermöglichen. So betreibt Prachodana ein Kinderheim und eine dazugehörige Brückenschule. Außerdem schärft Prachodana das gesellschaftliche Bewusstsein dafür, dass Schulbildung für Kinder unverzichtbar ist.
Daneben betreibt Prachodana noch verschiedene andere Projekte, zum Beispiel die „Child Line“, eine Hotline für Kinder in Not sowie ein Projekt zum Aufbau eines System von Mikrokrediten und Selbsthilfegruppen für Frauen.


Gebäude von Prachodana, in dem die Kinder untergebracht sind
Im Kinderheim leben 47 Kinder. Die meisten von ihnen besuchen externe Schulen. Es sind verschiedene Altersgruppen dabei – von Grundschülern bis hin zu Zehntklässlern. Einige Kinder dürfen im Moment nicht zur Schule gehen, denn entweder besteht die Gefahr, dass sie weglaufen, oder sie haben keine Zulassung vom Staat bekommen.
Hier eine kurze Beschreibung eines beispielhaften Tagesablaufs im Kinderheim, so wie wir ihn mitbekommen haben. Natürlich basiert diese nur auf unseren Erfahrungen in den wenigen Tagen und auch in der kurzen Zeit haben wir schon gemerkt, dass jeder Tag etwas anders abläuft. Trotzdem ein grober Eindruck:

6.20 Uhr. Die Kinder im Heim werden geweckt.
6.30 Uhr. Das tägliche Yogatraining beginnt nach einem kurzen Gebet. Eines der Kinder macht die Übungen vor, alle anderen machen sie nach.
7 Uhr. Study time. Jetzt heißt es für die Kinder, ihre Hausaufgaben für die Schulen anzufertigen und für Prüfungen zu lernen. Das tun sie alle gemeinsam in einem Raum. Dabei helfen wir ihnen, indem wir z. B. Texte erklären.
8.45 Uhr. Frühstück. Nach einem Gebet gibt es meistens Reis mit Sambar (einer Art Linsensuppe), manchmal aber auch andere Gerichte. Das Essen ist einfach gehalten, um Kosten zu sparen. Trotzdem schmeckt es uns gut.
9.15 Uhr. Zahnputzaktion: Franzi und Jule putzen gemeinsam mit den Kindern Zähne. Mithilfe eines Zahnputzliedes sollen diese lernen, sich die Zähne regelmäßig und vor allem gründlich zu putzen. Nach den wenigen Monaten sind bereits Fortschritte sichtbar.
9.30 Uhr. Die Kinder gehen zu ihren Schulen. Wir begleiten eine Gruppe - entweder die Grundschüler oder die, die die weiterführende Schule besuchen.
10 Uhr. Die Kinder sind in der Schule. Auf dem Weg zurück zum Heim werden Materialien für den Unterricht oder andere Aktionen am Abend gekauft.
11 Uhr. Im Heim wird der Unterricht für den Abend vorbereitet. Für einen Abend ist eine besondere Aktion geplant: Zusammen mit Franzi und Jule spielen Flo und ich Nikolaus, Knecht Ruprecht und zwei Engel. Hierfür bereiten wir Kostüme vor.
13 Uhr. Mittagessen. Auch jetzt gibt es Reis mit Sambar. Dazu für jeden einen Ragiball aus Wasser mit Fingerhirse. Auch der kann gut schmecken – man muss nur viel Sambar dazu nehmen.
16 Uhr. Die ersten Kinder kommen aus ihren Schulen zurück. Sie haben nun für ein paar Stunden Freizeit. Für die Freiwilligen beginnt jetzt die Hauptarbeit. Oft geht es nach draußen und es werden die verschiedensten Spiele mit den Kindern gespielt. Ihnen – und auch mir - machen diese viel Spaß.
18.15 Uhr. Alle versammeln sich zum gemeinsamen Gebet.
18.25 Uhr. Die Nikolaus-Aktion startet. Da die Geschichte den Kindern am Vorabend erklärt wurde, verstehen die meisten, worum es geht. Den Eindruck habe ich zumindest. Als kleine Geste verteilen wir Nüsse und Orangen.


Der Prachodana-Nikolaus mit seinem Team
18.40 Uhr. Franzi und Jule geben den Kindern Nachhilfestunden, meistens in Englisch und Mathe (und wir helfen so gut es geht mit). Dabei wechseln sich die Klassen immer ab – von Grundschülern bis zu Zehntklässlern. Oft geht es um Grundlagen, die aufgearbeitet werden müssen.


Franzi und Jule geben Nachhilfeunterricht - hier für die Grundschüler.
20.30 Uhr. Abendessen. Ähnlich wie das Mittagessen, aber auch hier gibt es manchmal Variationen.
21.15 Uhr. Noch einmal wird die Zahnputzaktion wie morgens durchgeführt. Danach gehen die Kinder ins Bett. Untergebracht sind sie meist in Hochbetten in Gruppenzimmern. Wir singen für sie noch ein Gute-Nacht-Lied.

Alles in allem also ein volles Tagesprogramm – sowohl für die Kinder als auch für Mitarbeiter und Freiwillige. Uns hat es Spaß gemacht, für drei Tage daran teilzunehmen, es war aber auch anstrengend. Umso mehr Respekt haben wir vor deren Leistungen. Von einigen Schicksalen der Heimkinder haben wir mitbekommen. Viele von ihnen lebten auf der Straße und/oder verrichten Kinderarbeit. Ihr Geld zum Überleben haben sie z. B. dadurch verdient, Plastik zu Sammelstellen zu bringen. Anderen war es vorher aus verschiedenen Gründen nicht möglich, die Schule zu besuchen. Sie mussten z. B. zu Hause auf Geschwister aufpassen, es war kein Geld da oder die Eltern haben sich einfach nicht um den Schulbesuch gekümmert.

Von Prachodana wird den Kindern eine Chance gegeben: Weg von der Straße, hin zur Schule - und damit zu besseren Zukunftsaussichten. Auch wenn die Kinder Schulen außerhalb des Heims besuchen, trägt Prachodana einen großen Teil zur Bildung der Kinder bei. Zum Einen werden Grundbedürfnisse wie Unterkunft und Verpflegung befriedigt. Zum Anderen können die Kinder durch die Lernzeiten und Nachhilfestunden besser in der Schule mitkommen. Da der Unterricht in meist kleinen Gruppen stattfindet, ist eine individuelle Förderung möglich. Jule und Franzi erzählen uns, wie sich z. B. die Englischkenntnisse vieler Kinder seit ihrer Ankunft enorm verbessert haben. Viele konnten zu Beginn gar kein Englisch sprechen und beherrschen jetzt Grundlagen.

In den drei Tagen im Projekt habe ich den Eindruck bekommen, dass die Freiwilligen durch Nachhilfestunden, Freizeitgestaltung der Kinder und andere Aktionen einen sehr großen Teil zu der Entwicklung der Kinder beitragen können. Der Besuch von Prachodana war für uns vor allem deshalb interessant, da sich das Projekt und die Aufgaben sehr von unseren – vor allem auf Dokumentations- und Öffentlichkeitsarbeit basierten - unterscheiden.

Manuel

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