Sonntag, 8. März 2015

"Positiver" und "negativer" Rassismus - (It Don't Matter If You're) Black Or White! -

Mein Kumpel, der Albin, dieser Schlingel. Er nennt mich im Spaß ab und zu "Saip" - was auf Mala-yalam wörtlich übersetzt ("Weißer") heißt. Es sei ausdrücklich erwähnt, dass es hier wo ich wohne, kein Schimpfwort ist - es gibt wohl schlicht und ergreifend kein anderes Wort für "uns". Trotzdem werde ich nicht gerne so genannt - und das weiß Albin - deswegen triezt er mich auch damit. Schlingel.

Ein anderer Mitarbeiter hat mich vor Kurzem gebeten, ihm ein paar Best-Of-Michael-Jackson-Lieder zu geben. Und da stieß ich doch glatt auf die alten Klassiker wie "Beat it", "Thriller", "Billy Jean", "Smooth Criminal", "I'm bad", "Man in the mirror", "Don't stop 'till you get enough", mein momentanes Lieblingslied des King of Pop "I want to rock with you" 

... und eben "It don't matter if you're black or white" - Ihr wisst schon - mit diesem fetten 90er-Musik-Video, in dem am Ende Dutzende von singenden Köpfen "ineinander mutieren" - verdammt schwer sowas in Worten zu erklären (im verlinkten Video ab 03:35 min).

Jedenfalls hat dieser Song neben seinem unverwechselbarem Gitarren-Sound eine einfache Botschaft: "Es ist egal, ob du schwarz oder weiß bist!"



Wo fängt man an, über Rassismus zu schreiben? Es gibt so viel zu besprechen - von Pegida und Asyl bis Sozialdarwinismus und Rassenlehre.

Also versuche ich, mich hier auf das Thema "Erfahrener 'positiver' und 'negativer' Rassismus während meines Freiwilligendienstes" zu beschränken - mal seh'n ob ich's schaff'!

Zunächst zum 'positiven' Rassismus. Als Mensch mit heller Hautfarbe erregten wir Freiwilligen, als wir uns auf den Straßen der südindischen Metropole Coimbatore (2. Station in Indien) bewegten, für uns ungewohnt viel Aufmerksamkeit - obwohl ich da eigentlich nur für mich sprechen kann, da meine Mit-Freiwilligen an einem Ausgeh-Abend in Deutschland bestimmt auch schon echte Hin-gucker waren.

- äh - sind. *zwinker*

Naja, es war nicht so, als ob Leonardo Di Caprio plötzlich in der Kölner Innenstadt aus dem Taxi steigt - Blitzlichtgewitter und Kreischen - aber einige Leute waren schon äußerst interessiert und wollten Fotos mit uns machen. Unsere Begegnung mit ihnen war für "sie" und "uns" ein Erlebnis.

Nach dem vierten, vielleicht fünften Mal, hat man dann aber auch schnell immer weniger Interesse daran, sich für jeden "Dahergelaufenen" und jede "Dahergelaufene" auch nur 3 Minuten Zeit zu nehmen, um ihm oder ihr zu erklären, woher man kommt und was man in Indien macht (das Volunteer-Programm, ob Deutschem oder Inder, zu erklären, kann aufwändig sein).

Irgendwo will man dann auch nicht auf jedem Foto sein - eine Art "Attraktion" sein.




Ein Gedanke dazu:




Es gab zu früheren Zeiten so genannte "Völkerschauen". Hier ein paar Werbeannoncen.









Von Kritikern im englischsprachigen Raum auch treffend "human zoos" - Menschenzoos - genannt, sind "Völkerschauen" vielleicht der Höhepunkt des Rassismus. Menschen als Attraktion.



Ist das Kaiser Willhelm, der lachend zwei, zu seiner Unterhaltung kämpfenden, Menschen zusieht?

- Ja.

Also habe ich es dann doch nicht geschafft, beim Thema zu bleiben, Entschuldigung. 

Man kann das von mir in Südwest-Indien erlebte "Interesse" anderer an der eigenen "Ethnie" - welches an dieser Stelle von mir unterstellt sei - nicht mit "Völkerschauen" vergleichen, was ausdrücklich nicht meine Absicht ist. Im Artikel geht es um Rassismus allgemein. Das war nur ein Gedanke, der mir dabei in den Sinn kam.

An den mehreren Klarstellungen kann man schon ablesen: Es ist ein heikles Thema ...

... Zu dem wir hiermit - über Umwege - zurückkehren ...

Wie fühlt sich ein Mensch mit Migrationsvordergrund - wie es ja neuerdings heißen könnte - in Deutschland, wenn andere ihn "ständig", das heißt, wenn sie ihn kennen lernen, nach seiner Herkunft fragen?

Darüber habe ich mir schon mehrmals Gedanken gemacht. Wenn ich dort jemanden kennen lerne, der einen Migrationsvordergrund hat, merke ich vielleicht, wie mir nach einiger Zeit diese allzu "typische" Frage auf den Nägeln brennt: Woher kommen deine Vorfahren? (Obwohl ich natürlich etwas "höflicher" fragen würde - was es wohl nicht besser machte)

Unabhängig davon, ob die Frage aus ehrlichem Interesse gestellt wäre, all das - und das weiß ich seit "hier" "aus eigener Erfahrung"- reduziert den Gefragten auf seinen Migrationsvordergrund. Da steckt vielleicht auch noch ein feuriger Dart-Fan, ein dynamischer Golfspieler sowie eine fanatische Borussia-Dortmund-Dauerkartenbesitzerin "dahinter" - wobei am Rande erwähnt Letztere wohl die interessantesten Gesprächsthemen aller Genannten bereit hielte. 

Vielleicht schaut man erstmal auf diese Dinge und lernt die Person kennen. Den Rest erfährt man - falls es einen noch interessiert - währenddessen.




Einen anderen Rassismus lernte ich in Kerala kennen, als wir in manchen Situationen "priviligiert" wurden. Sei es, wenn man einen Stuhl am Essens-Tisch erhält, während in einem anderen Raum im Stehen oder auf dem Boden sitzend diniert wird; Wenn im vollen Bus ein Angestellter einen anderen Fahrgast auffordert aufzustehen, damit man selbst einen Sitzplatz erhält. Unabhängig davon, ob man dann diese "Privilegien" annimmt oder vehementenstens (oder was-auch-immer der Superlativ von vehementesten ist) ablehnt - sie wurden einem doch angeboten.

Das Angebot lässt einen sich schon unwohl fühlen. Und man schämt sich für Menschen ver-gangener Jahrhunderte, welche diese Privilegien mit einer Attitüde der wahrhaftigsten Ungeniert-heit für sich in Anspruch nahmen.

Es sei gesagt: "Das" passiert nicht immer und überall, eher Hier und Da. Doch woher kommt das? Meine Theorie lautet: Es wurde gelernt.

So habe ich in einer Lower Primary School (Schule für Kleine im Kindergartenalter) mal einen Blick in ein Schulbuch geworfen. Wenn hier Bilder eine beliebige Tätigkeit darstellen sollen, sind die Personen in ihnen zumeist weiß, augenscheinlich jedenfalls auf keinen Fall indisch.

In Film und Werbung treten generell häufig Schauspieler mit hellerer Hautfarbe auf.

Allgegenwärtig scheint die Bleichungscreme "Fair and Lovely" - zu Deutsch "bleich und liebens-würdig". Wobei - hier hat der Brite für "fair" - bleich - auch die "direkte" Übersetzung: Schön. 

Bleich = Schön     ?

Dass die Schönheitsideale etwas "vertauscht" zu sein scheinen, wo man "im Westen" doch Bräu-nungscreme aufträgt, sieht man auch daran, dass in der Werbung "Gewichts-Zunehmer" angeboten werden. Bei uns sind es derweil "fettarme" und "Gewichts-reduzierende" Lebensmittel. 

Im Grunde leiden wir alle unter dem selben Problem - dem Schönheitswahn.



ABER ZURÜCK ZUM RASSISMUS VERDAMMT NOCH EINS. ETWAS MEHR THEMENDISZIPLIN, FLORIAN!



Okay - Ich fasse zusammen: Rassismus ist allgegenwärtig. Sowohl für Deutschland als auch für Indien gilt: Wo langjähriger und häufiger Kontakt sowie ein Zusammenleben "Derer" mit "Jenen" besteht, lernt man einander kennen, wird toleranter und plural.

Koexistenz erwirkt zumindest eine Art gegenseitige "Gewöhnung" - was in meiner persönlichen Wahrnehmung vor allem die Gemüter der jeweiligen Minderheit schonen kann. Etwa indem man irgendwann als "normal" angesehen wird - was nichts anderes heißt als "akzeptiert" und auf eine Art und Weise "Teil der Gemeinschaft".

Ich glaube an ein Recht jedes Menschen, zu allererst an seinen Taten, Eigenschaften und dann seinen Worten "betrachtet" werden zu dürfen.



Ein Fortschritt wäre - Migrationshintergründe bleiben was sie sind - die Welt wird eins - alle singen:



"It don't matter if you're black or white!"



Danke Michael.

Florian














Bilderquellen:
"Schwarze Oper" http://www.payer.de/neobuddhismus/neobuddh1006.gif
"Völkerschau der aussterbenden Lippen-Negerinnen (...)" http://www.payer.de/kommkulturen/kultur10142.gif
"Völkerschau Kolonial-ausstellung Stuttgart" http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerschau
"Kaiser Willhelm in Stellingen bei Hamburg" aus voelkerschau.net ©Clemens Radauer
http://www.humanzoos.net/wp-content/uploads/2014/01/1913-Volkerschau-Birma-Hagenbeck-4651-Der-Kaiser-im-Hagenbeckschen-Tierpark-in-Stellingen-bei-Hamburg.jpg

2 Kommentare:

  1. Wieder ein schöner Artikel, Flo. Und wichtiges Thema!! Rassismus und Diskriminierung sind allgegenwärtig.
    Heute hat mein indischer Arbeitskollege und Schreibtischnachbar mich auf ein erschreckendes Ereignis hingewiesen: http://www.quora.com/What-should-an-Indian-male-student-do-if-he-is-denied-an-internship-opportunity-on-the-basis-of-India-being-projected-as-an-unsafe-country-for-women?srid=oWuF&share=1
    Okay, die betroffene deutsche Professorin hat sich entschuldigt, aber ein bitterer Nachgeschmack bleibt.
    Für meine beiden indischen Kollegen war es ein sehr komisches Gefühl. Sie haben sofort versucht, mir und meiner portugiesischen Kollegin verständlich zu machen, wie ihre Einstellung gegenüber Frauen ist und dass diese ganz und gar nicht dem Bild entspricht, was zum Teil in den Medien seit den schlimmen Vergewaltigungsvorfällen der vergangenen Jahre transportiert wird. Sie haben in diesem Zusammenhang immer das Gefühl, sich verteidigen zu müssen... das hat dieser Mailaustausch (siehe Link) nicht verbessert, im Gegenteil.

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  2. Super geschrieben! Wir bieten übrigens im August (13.-16) für Rückkehrer ein Seminarwochenende an "Rassismus vor und nach dem Freiwilligendienst". Das wär für euch sicher interessant! Durchgeführt von phoenix.

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