Sonntag, 25. Januar 2015

Tourismus im heiligen Ort Varanasi - passt das?

Während der gesamten Rundreise kam mir immer wieder die Frage auf, ob Tourismus für den jeweiligen Ort hilfreich oder eher schadend ist. Sicherlich lässt sich die Frage nie eindeutig beantworten: Einerseits hilft er in der Regel der wirtschaftlichen Entwicklung des Ortes und schafft Arbeitsplätze. Andererseits steigt z. B. die soziale Ungleichheit an, da längst nicht alle Branchen gefördert werden und nicht jeder Bewohner vom Tourismus profitiert. Generell problematisch ist natürlich auch die entstehende Abhängigkeit von Entwicklungen im Ausland, die die Touristenströme beeinflussen könnten.

Nicht aus dem Kopf gehen konnte mir diese Frage vor allem in Varanasi, dem heiligsten Ort der Hindus. Bevor ich auf die Frage zurückkomme, einige Informationen zum Ort selbst:

Varanasi liegt im Nordosten Indiens am Ganges, dem heiligsten Fluss der Hindus. Am Ufer befinden sich über mehrere Kilometer die so genannten Ghats, Treppen, die zum Fluss hinunterführen. Sehr erstrebenswert ist es für Hindus, in ihrem Leben im Ganges gebadet zu haben, dort zu sterben und verbrannt zu werden. Einige Ghats werden also für Waschungen benutzt, bei anderen (die nur wenige Meter davon entfernt liegen) werden in aller Öffentlichkeit Tote verbrannt. Anschließend wird die Asche im Fluss verstreut. Es herrscht keine Trauerstimmung, da der Tod und die Verbrennung in Varanasi die Erlösung aus dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt bedeutet.

Touristen und Einheimische an den Ghats am Fluss Ganges
Während unseres Aufenthaltes erlebe ich die große Armut und soziale Ungleichheit, der viele Menschen ausgesetzt sind, als Tourist.

Die Frage, ob der Tourismus dem Ort nun eher nützt oder schadet, lässt sich in zwei Teilfragen aufteilen. Im Folgenden komme ich zu keinen Antworten, sondern halte nur meine Erlebnisse fest, die mich zum Nachdenken über diese Fragen gebracht haben.


1. Sind Touristen an solch einem heiligen Ort nicht generell fehl am Platze oder sollte zumindest zu den heiligsten Stellen nicht etwas mehr Abstand gehalten werden?

Während wir an den Ghats entlanglaufen, kommen wir zwangsläufig auch an den Verbrennungsghats vorbei. Touristen laufen direkt neben den Leichenverbrennungen her und können sich diese aus nächster Nähe ansehen. Auf dem Fluss (ebenfalls unmittelbar neben der Verbrennung) fährt ein Touristenboot mit aufgedruckter Vodafone-Werbung. Die Familienangehörigen der Verstorbenen machen nicht den Eindruck, als fühlten sie sich von den vielen Touristen gestört. Priester wollen uns den Verbrennungsprozess und seine Bedeutung erklären sowie uns "einen besseren Blick verschaffen", das Ganze gegen etwas Geld (angeblich für eine Spende für das direkt am Ghat gelegene Hospiz, oder für das Feuerholz der Familienangehörigen). Durch die Erklärungen und die Bilder bekommen wir durchaus einen bleibenden Eindruck von hinduistischen Traditionen und lernen eine für uns vorher unbekannte Art kennen, mit dem Tod umzugehen. Ein paar Meter weiter bietet uns ein Verkäufer Drogen an.


2. Ist der Tourismus wirklich hilfreich für die nachhaltige (wirtschaftliche und soziale) Entwicklung in der Stadt?

Das ganze Flussufer entlang und auch weiter abseits des Flusses sehen wir sehr viele Bettler. Immer wieder werden wir von Menschen auf der Straße angesprochen und ungewollt in eine Art inoffizielle Stadtführung verwickelt. Wenn wir fragen, ob der Jenige von uns Geld haben möchte, heißt es oft in etwa: "No, but please visit my shop later." Eigentlich haben wir kein Interesse daran, die Shops zu besuchen und andererseits möchten wir die Menschen auch nicht unhöflich abweisen. Oft antworte ich etwas wie "Maybe later". Diese kleine Hoffnung hat viele Menschen immer noch nicht davon abgebracht, sich weiter mit uns zu unterhalten. An sich unterhalte ich mich ja gerne über die verschiedensten Dinge. Hier ist aber immer das Gefühl mit dabei, bei den Menschen falsche Hoffnungen zu erwecken. Diese Hoffnungen kommen wohl durch das Bewusstsein, dass wir Touristen in der Regel deutlich wohlhabender sind als die meisten Einheimischen. Und eine kleine Chance besteht ja doch, dass wir den Shop später besuchen. Was wir (auch wenn wir den Shop besuchen würden) den Menschen sicherlich nicht bieten, ist eine bessere Bildung oder gar gute Zukunftsaussichten. Eher fördern wir die Abhängigkeit vom Tourismus. Wenn die Touristenströme einbrechen, könnten die Menschen schnell in Existenzprobleme kommen. Nicht vergessen zu erwähnen sollte ich aber, was wir auch sehen: Viele gute Hotels und Restaurants, die (vorausgesetzt, die Touristenströme bleiben stabil) Arbeitsplätze mit sicherlich besseren Zukunftsaussichten bieten.


Also, da ich die Frage nicht beantworten kann, gebe ich sie an euch weiter: Tourismus im heiligen Ort Varanasi - passt das? Ich freue mich über jeden Kommentar!
Manuel

1 Kommentar:

  1. Hi Manuel..so nice to see the indepth reflection of yours on ganges and varanashi and social issues. I think your write up shows how much you have grasped India. good. Coming to tourism and holy places, yes it is one of the realities of the India. Why to hide? India is working on cleaning and clearing pollution. I am sure Varanashi will be different when you come after 3 years for sure. The problems you have mentioned are akin to tourism and cannot be generalised. It is good to see your answer, " May be later" for every requests. we will adopt...politely. Malathi

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